Pfeife und Karten statt kaputter Schuhe

Kategorie: Halle 2016-2017
Veröffentlicht am Freitag, 09. Dezember 2016 19:55
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Spätestens nach der ersten Ansage mit seiner kräftigen, klaren Stimme, zweifelt keiner der Sportler seine Entscheidung an. Faustball-Schiedsrichter Max Hunger hat am Wochenende sein letztes Spiel in der 1. Faustball-Bundesliga geleitet. Nach der Partie des SV Moslesfehn gegen den VfK Berlin in Brettorf trat der 62-Jährige von seinem Amt in der obersten Spielklasse zurück.

Ab 60 werde einem zwar nahe gelegt aufzuhören. Wenn sich jedoch der Schiri noch in der Lage fühle, dürfe er aber auch weiter in der 1. Bundesliga schiedsen, erzählt der Unparteiische des Ahlhorner SV. „Ich möchte jüngeren Schiedsrichtern den Vortritt lassen. Ich habe immer noch Interesse am Faustball, ich habe nur meine Schwerpunkte verlagert“, sagt der Gymnasiallehrer.

Wie er zum Faustball gekommen sei? Da muss er lachen. In der Grundschule habe er Fußball gespielt. „Ich habe die Bälle immer mit der Pike geschossen und mir dabei meine Halbschuhe zerdeppert“, erzählt er. Seine Mutter habe nicht ständig neue Schuhe kaufen wollen. Sie habe ihn auf den Sportplatz geschickt, damit er sich eine andere Sportart suche. „Dort haben zufällig einige Faustballer gespielt. Das hatte ich noch nicht gesehen, also fragte ich, wie das geht, und habe einfach mitgespielt“, sagt er.

In den ersten Jahren war Hunger der einzige Jugendliche beim ASV. Später, als die Mannschaft komplett war, bekleidete er die Position des Schlagmanns. 1970 wurde er in einer A-Jugend-Mannschaft Deutscher Vize-Meister. Nach dem Abitur ging es zum Studium nach Hannover. Da sich die Ahlhorner für einen anderen Schlagmann entschieden, wechselte Hunger für drei Jahre zum Turnklubb nach Hannover. Während der Lehrerausbildung in Hamburg spielte er für den Eimsbütteler Turnverband.

„Das beste Jahr war 1983. Da habe ich eine Stelle als Lehrer bekommen, wir sind mit dem Ahlhorner SV das erste Mal Deutscher Meister geworden, und ich habe meine Bundesligaschiedsrichterprüfung bestanden“, berichtet Hunger. Da er selbst höherklassig spielte, machte er nach der C-Lizenz vor 40 Jahren, 1980 die B-Lizenz und drei Jahre später die A-Lizenz.

Seinen größten Erfolg hatte der Faustballer 2015. „Im vergangenen Jahr sind wir mit unserer gemischten Mannschaft (aus VfB Stuttgart und Ahlhorner SV) in Chile Seniorenweltmeister geworden. Ich war dort in der Doppelfunktion als Spieler und Schiedsrichter“, freut sich Hunger heute noch über den Erfolg.

Am Band geht es manchmal um Entscheidungen in Sekundenbruchteilen. In einer Blocksituation brauche der Schiedsrichter zum Beispiel das Gespür dafür, wer zuletzt am Ball war. „Man hat dafür mehr Fingerspitzengefühl, wenn man selbst mal gespielt hat. Ich habe nie sofort entschieden, sondern häufig die Situation noch mal rekapituliert. Die Faustballer sind auch fair und geben häufig zu, wer einen Fehler gemacht hat“, berichtet der Unparteiische.

An eine kuriose Situation als Schiedsrichter kann er sich noch gut erinnern: Moslesfehn spielte vor Jahren gegen Hagen in Wardenburg. „Vor dem Spiel habe ich noch gesagt: Die beiden Mannschaften spielen so fair, die brauchen keinen Schiedsrichter“, erinnert sich Hunger. Kaum trat er auf das Spielfeld in der Halle, zweifelte der Hagener Dirk Schachtsiek die geklebte Markierung der Linie an. Hunger maß nach – keine 50 Zentimeter. Er ließ die Linie am Hallenboden entfernen.

Draußen zu schiedsen stellt noch einmal besondere Herausforderungen, berichtet Hunger: „Wenn es regnet oder sehr windig ist, macht es natürlich nicht so viel Spaß“, erzählt Hunger und verzieht ein wenig das Gesicht. Ansonsten sei es einfacher als Unparteiischer auf dem Feld zu agieren, als in der Halle. Dort gäbe es etwa weniger Blockduelle.

Seine neu gewonnene Zeit möchte der Sport- und Biologielehrer anderen Aktivitäten widmen. Als Fachberater im Schulsport für den Landkreis Oldenburg und Delmenhorst organisiert er beispielsweise in allen „Jugend trainiert für Olympia-Sportarten“ Kreis- und Kreisgruppenentscheide, im Fußball die Landkreismeisterschaften beziehungsweise die Delmenhorster Stadtmeisterschaften der Grundschulen oder kümmert sich um die Zertifizierung sportfreundlicher Schulen. Außerdem sitzt er im Beirat der Naturschutzstiftung des Landkreises Oldenburg sowie dem Kreisumweltausschuss. In seiner Funktion als Kreisnaturschutzbeauftragter und Hegeringleiter in der Gemeinde Großenkneten ist Hunger häufig unterwegs. Er möchte am Wochenende wieder Zeit für Naturerlebnisse haben.

Doch ganz lassen kann er das Schiedsen nicht. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Brettorf 2017 wird Hunger noch einmal zu Pfeife und Karten greifen. „Die Karten habe ich in den ganzen 40 Jahren nicht ein Mal gebraucht“, ist Hunger stolz auf die Fairness in seiner Sportart. „Wir sind im Faustball eine große Familie“, sagt er. Außerdem möchte er beim Europa-Pokal der Frauen Anfang Januar an der Linie stehen. „Ich empfinde das nicht als Degradierung. Die Linienrichter sind auch wichtig“, sagt Hunger. Bis 2017 ist seine Lizenz noch gültig, ob er sie danach noch verlängert, um wieder mit Pfeife und Karten auf das Faustballspielfeld zu treten, lässt Max Hunger vorerst offen.

Quelle: nwzonline.de

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