Zwei Lehrer wollen Faustball als Schulsport etablieren

Kategorie: Feld 2014
Veröffentlicht am Mittwoch, 23. April 2014 19:44
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Die Sportlehrer Christian Sondern (l.) und Nico Gehrke wollen Faustball zum Schulsport machen. (Foto: Roland Magunia)

Die Sportlehrer Christian Sondern und Nico Gehrke (rechts) wollen Faustball zum Schulsport machen. (Foto: Roland Magunia)

Früher war Hamburg eine Hochburg des Spiels, heute gibt es Faustball in der Stadt nur noch am Rande. Die Lehrer Christian Sondern und Nico Gehrke wollen die Sportart an Schulen etablieren.

Hamburg. Menschen, die Lehrer werden, tun das oft, weil sie ein Sendungsbewusstsein haben. Weil sie anderen helfen wollen, Dinge zu lernen, neue Perspektiven zu entdecken und sich im Idealfall zu komplexeren Persönlichkeiten entwickeln zu können. Christian Sondern ist Mathematik- und Sportlehrer am Gymnasium Aue-Geest im niedersächsischen Harsefeld, er mag seinen Beruf auch aus den oben angeführten Gründen, aber dass er durch ihn sogar zum Entwicklungshelfer einer ganzen Sportart werden würde, hatte er nicht für möglich gehalten, als er im Jahr 2005 nach Hamburg zog.

Seit seiner Jugend spielt der im westfälischen Wetter aufgewachsene 35-Jährige Faustball. In Hamburg ist dieser Sport kaum noch jemandem geläufig. Dabei gab es in den 80er-Jahren mit der Altonaer Spielvereinigung, dem Eimsbütteler TV und dem TuS Hamburg leistungsstarke Mannschaften in der höchsten Spielklasse, dazu vier aufeinander aufbauende Hamburg-Ligen. Umso überraschter war Sondern, der bis heute für Meisterschaftsspiele zu seinem Bundesliga-Stammverein nach Hagen reist und auch für die niedersächsischen Clubs TSV Essel und MTV Hammah in der Bundesliga spielte, als er erfuhr, dass sein Sport in einer Metropole wie Hamburg kaum noch wahrgenommen wird.

Leistungsorientiert wird Faustball nur noch bei den Senioren des ETV angeboten, mit denen Sondern in Ermangelung eines Trainingsplatzes im Vereinsumfeld in Bahrenfeld trainiert. Ansonsten beschränkt sich der Spielbetrieb auf eine Hamburg-Liga mit acht Teilnehmern, die Bundesliga ist weit weg. "Und besonders alarmierend fand ich den Fakt, dass ein Jugendbereich in Hamburg praktisch nicht mehr existent ist", sagt er.

Weil eine Sportart ausstirbt, wenn ihr der Nachwuchs fehlt, hat sich Christian Sondern nun einem ganz besonderen Projekt angenommen. Er möchte Faustball an Hamburger Schulen als Ausbildungssportart etablieren. In Niedersachsen ist er in seiner Eigenschaft als Sportlehrer für den Schulfaustball zuständig. Dort wird auf vielen Dörfern eine Faustballtradition gepflegt. "Allein zu den Meisterschaften im Bezirk Lüneburg waren zuletzt 85 Teams mit rund 500 Schülern gemeldet", sagt er.

In Hamburg stieß der zweifache Vater zunächst auf wenig Gegenliebe. Weil sich für die von ihm angebotene Fortbildung nur neun Kollegen anmeldeten, sagte das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung den Kursus kurzerhand ab. Doch Sondern ließ sich nicht abschrecken, bot an, auf die ihm zustehende Vergütung zu verzichten, und führte die Fortbildung auf eigene Faust durch.

Das war ein erster Durchbruch, denn einer seiner Zuhörer war Nico Gehrke, selbst Sportlehrer an der Max-Brauer-Schule und Regionalbeauftragter für Schulsport im Bezirk Altona. "Er war sofort begeistert und hat eine Menge Werbung für Faustball gemacht, und zur nächsten Fortbildung konnten wir dann schon 30 Interessierte begrüßen", sagt Christian Sondern.

Gemeinsam entwickelten Gehrke und er eine Idee, deren Umsetzung an diesem Mittwoch in der Sporthalle des Flottbeker Christianeums erfolgen soll. Zum 1. Hamburger Schul-Cup im Faustball haben sie die Klassenstufen vier bis sieben aller Hamburger Schulen eingeladen. Gespielt wird in gemischten Teams mit mindestens drei Teilnehmern. Anmeldungen per E-Mail (sport Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ) sind noch immer möglich, wie groß das Interesse sein wird, können die beiden Organisatoren – Gehrke ist verantwortlicher Ausrichter und organisiert im Namen der Schulbehörde – derzeit nicht absehen. "Eine Schule hat sich spontan mit zehn Teams angemeldet", sagt Sondern, und man spürt in diesen Momenten diese Mischung aus Stolz und Erleichterung darüber, dass sein Engagement erste Früchte trägt.

Dass Faustball gerade für den Schulsport ein ideales Spiel ist, davon ist er seit Langem überzeugt. "Der Vorteil im Vergleich zum Volleyball ist, dass der Ball einmal aufspringen darf. Das nimmt Tempo aus dem Spiel, auch die Technik ist nicht so entscheidend. Deshalb ist es für Anfänger viel einfacher, sofort ins Spiel einzusteigen und kleine Erfolge zu haben", sagt er. Einen Kleinkrieg zwischen den verwandten Disziplinen will er indes gar nicht erst aufkommen lassen. "Faustball kann eine Hinführung zum Volleyball sein. Ich sehe den Sport als Ergänzung, als einen Beitrag zur Pluralität in einer Sportstadt, die Hamburg ja sein will", sagt er.

Christian Sondern weiß: Wenn ein Sport erst einmal tot ist, kommt er nie wieder. "Aber wenn wir es schaffen, dass in Hamburg wenigstens niemand mehr schräg angeschaut wird, weil er Faustball spielt, dann haben wir schon viel erreicht." Am Mittwoch könnte ein Meilenstein auf diesem Weg gesetzt werden.

Von Björn Jensen - erschienen im Hamburger Abendblatt vom 22.04.2014

 

 

 

 

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